Roskilde Wikingerschiffsmuseum
Navidaten: 55.65090 12.08056 oder: Vindeboder 12, 4000 Roskilde, Dänemark
Am Ende der Wikingerzeit - etwa zwischen 1000 und 1050 n. Chr. - wurde im Roskilde Fjord als Schutz für die wichtige Handelsstadt Roskilde ein System von Passagesperren angelegt. Eine solche Sperre bildeten auch die berühmten Skuldelev-Schiffe, die nach ihrer Ausgrabung und Konservierung in der 1969 eröffneten Wikingerschiffshalle ausgestellt sind.
Im Roskilde-Fjord, in der "Peberrende" bei Skuldelev, 20 km nördlich von Roskilde, wurden zur Errichtung einer solchen Passagesperre drei alte Schiffe quer zur Fahrtrinne versenkt und mit Steinen zugeworfen. Kurz danach wurde die Sperre durch Versenkung von noch zwei weiteren Schiffen verstärkt.
Die Sperre, die die Fjordfischer von je her kannten, wurde der örtlichen Überlieferung zufolge auf Geheiß der dänischen Königin Margrethe I (gest. 1412) angelegt.
Bei intensiven Unterwasseruntersuchungen, die durch das dänische Nationalmuseum in den Jahren 1957-59 unternommen wurden, ergab sich, dass die Sperre aus der Wikingerzeit stammte und aus mehreren Schiffen bestand. Nachdem man sich entschlossen hatte die Schiffe zu bergen, wurde das Vorhaben 1962 in Angriff genommen. Um die Sperre herum wurde eine eiserne Spundwand eingerammt, um die Ausgrabungsstelle trocken zu legen und dadurch bestmöglichste Bedingungen für die Ausgräber zu schaffen. In weniger als 4 Monaten gelang es dann, die fünf Schiffe aus dem sie überdeckenden Steinhaufen auszugraben und in tausenden Bruchstücken an Land zu bringen.
Das tausend Jahre alte Holz wurde danach einer langwierigen und aufwändigen Behandlung unterzogen. Ziel der Konservierung war es natürlich die Form und Größe sowie den Oberflächencharakter des Holzes zu bewahren. Daher wurden die Holzteile in ein Konservierungsmittelbad (Polyäthylen-Glykol) eingelegt. Dabei handelt es sich um einen wasserlöslichen Kunstwachs, der quasi im Austausch gegen das Seewasser in die Holzzellen eindrang und den Schiffsteilen dadurch die ursprüngliche Form und Größe bewahrte. Das Holz hatte nun aber eine dunkle, fast schwarze Farbe angenommen.
Nach der Konservierung begann der langwierige Aufbau der Schiffe anhand des jeweils erhaltenen Holzes. Aufgrund der unterschiedlichen Schiffstypen bieten die Skuldelev-Schiffe die Gelegenheit, neben den norwegischen Schiffsfunden von Oseberg und Gokstad, die Schiffsbaukunst der Wikinger zu studieren.
Nach den ersten Unterwasseruntersuchungen ging man von 6 einzelnen Schiffsfunden aus. Bei der Ausgrabung zeigte sich dann jedoch, dass die Teile, die man für Schiff 2 und 4 hielt, gemeinsam nur zu einem Schiff gehörten. Die ursprüngliche zahlenmäßige Bezeichnung wurde aber beibehalten.
Museum
Das Wikingerschiffsmuseum in Roskilde ist Dänemarks Museum für Schiffe, Seefahrt und Bootsbaukultur in Altertum und Mittelalter. Die Wikingerschiffshalle wurde als dauerhafte übergroße Ausstellungsvitrine für die Skuldelev-Schiffe im Jahre 1969 eröffnet. Hier werden auch Sonderausstellungen - aktuell vom 02.05.05 bis zum 08.01.06 "Blutspuren - die Plünderungen der Wikinger am Rhein" - sowie ein Film über die Ausgrabung der Schiffe (mehrmals täglich in dänischer, englischer, deutscher, französischer, spanischer und italienischer Sprache) gezeigt.
Im Museumsladen werden u.a. Bücher in mehreren Sprachen , Nachbildungen von wikingerzeitlichem Schmuck, Spielwaren, Modelbauschiffe, Postkarten usw. angeboten.
Bei dem Wrack 1 handelt es sich um ein kräftiges Frachtschiff von 16 m Länge und 4,8 m Breite, wahrscheinlich vom Typ "Knarr" - ein hochseetüchtiges Frachtschiff, mit dem die Wikinger auf dem Nordatlantik bis nach Island, Grönland und Nordamerika segelten. Das Schiff wurde im 11. Jahrhundert (ca. 1030) aus Kiefer-, Eichen- und Lindenholz gebaut, wahrscheinlich in Westnorwegen. Die Besatzung eines solchen Lastschiffs bestand aus 6-8 Mann. Es hatte vorne und hinten Deckseinbauten und dazwischen einen offenen Lagerraum. Das Schiff konnte ca. 20-24 Tonnen Ladung (bzw. ca. 35 befördern, wobei der Tiefgang unbeladen bei 0,6 m und beladen bei 1,3 m lag. Es war mit einem Rahsegel von rund ca. 90 qm Fläche als Antriebsmittel ausgestattet. Damit erreichte es eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 5 Konten und eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 13 Knoten. Der Erhaltungsgrad beträgt ca. 60 %.
Ottar, ein Nachbau von Skuldelev 1, ist im Museumshafen zu sehen (Baujahr 2000).
1983 lief nahe bei Ålesund in Norwegen eine genaue Kopie des großen Handelsschiffs vom Stapel. Das nachgebaute Schiff mit dem Namen "Saga Siglar" befand sich 1984 auf Weltumsegelung. Durch diese Fahrt der Saga Siglar mit Ragnar Thorseth ergaben sich wertvolle Hinweise zu den Segeleigenschaften und -techniken der damaligen Zeit (Buchtipp: Saga Siglar - Die erste Weltumseglung im offenen Wikingerboot, Ragnar Thorseth, 128 S., zahlreiche Abbildungen, Delius Klasing Verlag Bielefeld, 1992, ISBN 3-7688-0727-4).
Bei dem zweiten Kriegsschiff von Skuldelev handelt es sich um ein sogenanntes Langschiff, vermutlich vom Typ Skeid, von rund 30 m Länge und 3,8 m Breite; es bot Platz für 30 Riemenpaare und eine 70-80 Mann starke Besatzung. Mit 60 Mann an den Rudern konnte es auch über längere Strecken eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 6 Knoten halten. Das Schiff ist aus Eiche gebaut, und Analysen des Holzes haben ergeben, dass es wahrscheinlich gegen Ende der Wikingerzeit (1042) in Irland, in der Nähe von Dublin gebaut wurde. Das Schiff hatte ein Rahsegel mit einer Segelfläche von etwa 120qm. Unter Segel dürfte die Höchstgeschwindigkeit bei günstigem Wind bis 15- 20 Knoten gelegen haben. Es hatte einen Tiefgang von nur 0,9 m und bei voller Ausrüstung eine Verdrängung von ca. 25 Tonnen. Der Erhaltungsgrad beträgt ca. 25 %.
Im Museumshafen ist nun auch der größte jemals gefertigte Nachbau eines Wikingerschiffes zu sehen. Königin Margarethe 2. taufte vor 11000 Zuschauern am 04.09.04 das in vierjähriger Bauzeit entstandene Schiff - Havhingsten af Glendalough (weiteres Bild). Acht Bootsbauer benötigten 300 Bäume und 7000 handgeschmiedete Eisennägel um das ausschließlich mit Werkzeugen der damaligen Zeit bearbeitet Schiff entstehen zu lassen. Es hat ein 118 qm großes Wollsegel. Es wurden 400 kg Bast und 600 Pferdeschwänze für das insgesamt 2 km lange Tauwerk verarbeitet. Nach ersten Probefahrten in diesem Jahr, soll es im Sommer 2007 über die Nordsee nach Dublin fahren und dabei in York und Hastings anlegen. Die Rückfahrt verläuft westlich und nördlich um Schottland herum.
Das kleinere Handelsschiff ist ein aus Eichenstämmen elegant geformtes, 14 m langes und 3,3 m breites Fahrzeug. Das Schiff war gut geeignet für die Fahrt in den dänischen Gewässern und auf der Ostsee, und hatte eine Besatzung von 5-6 Mann. Die Segelfläche betrug 45 qm, und das Schiff konnte eine Ladung von ca. 4,6 Tonnen aufnehmen. Die Besatzung bestand aus 5-6 Mann. Es konnte Geschwindigkeiten von bis zu 8,5 Knoten, durchschnittlich von 4 Knoten erreichen. Der Erhaltungsgrad beträgt ca. 75 %.
1982-1984 wurde in Roskilde eine Kopie dieses kleinen Handelsschiffs unter dem Namen "Roar Ege" gebaut. Beim Bau des Schiffes wurde die gleiche Technik angewandt, die sich bei dem gefundenen Original erkennen lässt, d.h. ganz ohne Verwendung einer Säge (war den Wikingern zwar bekannt, wurde aber von ihnen hier nicht verwendet), sondern mit der Axt als wichtigstem Werkzeug für das Spalten und Behauen aller Schiffsteile. Dazu kamen Breitbeile, Holzmeißel, Hobel, Hohlmeißel, Holzhämmer, Hämmer, Zangen und einige selbst erfundene Hilfswerkzeuge zum Einsatz (siehe das Foto links "Werft-Werkzeuge). Der Bautrupp bestand aus 15 Leuten, die ca. 15000 Stunden arbeiteten. Es wurden z.B. ca. 2000 Eisennägel handgeschmiedet, Vorbild waren die gut erhaltenen Nägel der norwegischen Wikingerschiffe. Der Zwischenraum der Planken wurde mit einem dreifachen, handgekämmten und handgesponnenen Wollfaden abgedichtet, der den Wollresten im Wrack entsprach. Um das Schiff wasserdicht zu machen, benutzte man Holzteer und Leinöl. Das Segel hatte eine fast quadratische Fläche.
Bei dem Bau wurde wirklich peinlichst genau darauf geachtet, dass kein Loch gebohrt wurde, das nicht auch im Originalschiff vorhanden war. Nach der Fertigstellung wurde das Schiff mit modernen elektronischen Messgeräten ausgestattet, mit denen sich die Bewegungen des Fahrzeugs genau registrieren lassen. Seitdem wurde das Schiff unter allen erdenklichen Wind- und Wetterverhältnissen erprobt. Die Roar Ege liegt in der Bucht vor dem Museum vor Anker. Über dieses Projekt wurde ein Film gedreht, der im Vorführraum des Museums gezeigt wird.
Das kleinste Kriegsschiff aus dem Skuldelev-Fund ist um 1030 aus Eichen-, Eschen-, Erlen- und Kiefernholz gebaut, wobei zum Teil Holz von anderen Schiffen wieder verwendet worden ist. Mit seinen 17,3 m Länge und 2,5 m Breite bot es Platz für 13 Riemenpaare und eine Besatzung von insgesamt 30 Kriegern. Entlang der äußeren Relingkante war ein Riemen angebracht, an dem die Schilde der Mannschaft befestigt waren. Die Durchschnittsgeschwindigkeit belief sich auf ca.6 Knoten, während die Höchstgeschwindigkeit bei günstigem Wind um 15 Knoten gelegen haben dürfte. Es hatte einen Tiefgang von nur 0,5 m und bei voller Ausrüstung eine Verdrängung von ca. 6 Tonnen. Der Erhaltungsgrad beträgt ca. 50 %.
Im Herbst 1991 lief ein Nachbau des kleinen Kriegsschiffes von Skuldelev vom Stapel. Die Kopie erhielt den Namen "Helge Ask" und auch mit ihr wurden die gleichen Versuchsfahrten unternommen, wie mit der "Roar Ege". Wesentlichste Eigenschaften für Handelsfahrzeuge waren Tragfähigkeit und Seetüchtigkeit, während für Kriegsschiffe Geschwindigkeit und gute Manövriereigenschaften entscheidend waren.
Das letzte Fahrzeug des Skuldelev-Fundes ist ein kleines, 11,2 m langes und 2,5 m breites kombiniertes Ruder und Segelboot. Es ist im 11. Jahrhundert (ca. 1030) aus Kiefern-, Birken- und Eichenholz gebaut. Die Durchschnittsgeschwindigkeit belief sich auf ca.5 Knoten, während die Höchstgeschwindigkeit bei günstigem Wind um 10 Knoten gelegen haben dürfte. Es hatte einen Tiefgang von nur 0,6 m und bei voller Ausrüstung eine Verdrängung von ca. 4,7 Tonnen. Der Erhaltungsgrad beträgt ca. 70 %. Es bot einer Besatzung von 12-14 Mann Platz. Wahrscheinlich war es ursprünglich für Fischfang und Jagd bestimmt. Später wurde es um eine Planke an jeder Seite erhöht. Kurz vor der Versenkung war der Boden des Bootes mit Eichenplanken repariert worden.
"Kraka Fyr", der originalgetreue Nachbau von Skuldelev 6 ist im Museumshafen zu sehen.
Beim Bau der neuen Museumsinsel in Roskilde, in direkter Nachbarschaft zur Wikingerschiffshalle, wurden 1996 und 1997 insgesamt neun weitere Schiffswracks gefunden. Sie lassen sich in drei Gruppen aufteilen: Ein Langschiff aus der Wikingerzeit, vier größere Frachtschiffe aus der späten Wikingerzeit und dem hohen Mittelalter und vier kleinere, hochmittelalterliche Lastschiffe.
Im Herbst 1996 wurden zunächst Teile eines Schiffswracks gefunden. Das nun als Roskilde 1 benannte Wrack war mittelalterlichen Typs und wurde auf das Jahr 1336 dendrodatiert. Es war ein kleineres Fahrzeug, das örtlich zu Transport- und handelszwecken eingesetzt wurde.
Das Wrack Roskilde 2 war etwa 15m lang und 4,5 m breit. Der gesamte Rumpf war aus sich überlappenden Planken aus Eiche gebaut. Die Kalfaterung bestand aus Tierhaaren. Anhand der Holzfunde war auch hier ein dendrochronologische Datierung möglich. Das Holz wurde im Jahr 1168 gefällt. Der Kiel ist ebenfalls aus Eiche und 11,5 m lang. Möglicherweise wurde das Schiff durch einen Sturm zum Kentern gebracht.
Der Kiel des Wrack Roskilde 3 ist in seiner vollen Länge von 15 m erhalten. Zusammen mit dem Bug und dem Heck dürfte das Schiff daher eine Gesamtlänge von 18-20 m gehabt haben. Die Breite betrug dabei etwa 4,4 m und die Höhe oberhalb des Kiels ca. 1,5 m. Es haben sich auch acht Steuerbord- und zwei Backbordplanken erhalten.
Das Wrack Roskilde 4 kann auf das 12.-13. Jahrhundert datiert werden. Der erhaltene Rest des Kiels ist 6,1 m lang. Die Gesamtlänge des Schiffs dürfte ca. 20 m betragen haben. Die Breite betrug wohl 6,2 m und die Höhe oberhalb des Kiels ungefähr 1,9 m.
Vom Wrack 5 haben sich etwa 2/3 erhalten. Es ist ein schmales Schiff aus Kiefernholz. Der Kiel war wohl ursprünglich 10 m lang. Somit dürfte es eine Gesamtlänge von 12-14 m gehabt haben.Die Breite dürfte bei 3,6 m gelegen haben und die Höhe oberhalb des Kiel bei 0,95 m. Es wurde vermutlich in Norwegen hergestellt.
Das letzte Wrack, Roskilde 6, wird auf ca. 1030 datiert. Die Gesamtlänge betrug ca. 36 m. Damit ist es das längste bisher gefundene Wikingerschiff. Es war zu Kriegs- und Truppentransportzwecken bestimmt und hatte etwa hundert Mann Besatzung.
Die Lastschiffe Roskilde 2,3,4 und 5 wurden zwischen 1060 und 1200 erbaut. Es waren größere Frachtschiffe. Der Fund beweis u.a., dass Roskilde im hohen Mittelalter eine bedeutende Handelsstadt war.
Roskilde 1,7,8 und 9 werden auf die zeit zwischen 170 und 1340 datiert. Es waren kleinere Boote, die zu Transport- und Handelszwecken eingesetzt wurden.