Tillitse - Letztes Update 28.07.2023
Listennummer : DR 212 / DK Syd 11
Navidaten: 54.76625, 11.15766 oder: Tillitse Kirkevej 1A, 4983 Dannemare, Dänemark
Transliteration:
Seite A: eskil : sulka : sun : let : res(a) | sten : þena : eft : sialfan | sik : emun : stanta : meþ : sten | lifiR : uitrint : su : iaR : uan : eskil
Seite B: kristr : hialbi : siol : hans | aok : santa : migael
Seite C: toki : risti : runaR : e(f)(t)(i)(R) (:) -(o)ru : | stiubmoþur : sina : kunu : koþa (2. Inschrift)
Es ist dies der einzige Runenstein in Dänemark, der zwei Inschriften beherbergt. Er ist auch der einzige Runenstein in Dänemark, der sicher von einer Person zu ihrem eigenen Gedenken mit einer Inschrift verziert wurde.
Der Runenstein wird in die Zeit von 1025 - 1075 datiert. Die Inschrift verläuft wie hier deutlich gemacht:
Die gerahmte erste Inschrift beginnt in der linken unteren Ecke der Breitseite A, verläuft nach rechts in vier parallel angeordneten Zeilen, die jeweils von unten nach oben gelesen werden. Sie setzt sich mit zwei Runenbändern auf der B-Seite von rechts nach links fort, die ebenfalls beide von unten nach oben verlaufen (Ende der Zeilen jeweils von mir mit roten Strichen gekennzeichnet).
Die zweite (sekundäre) Inschrift beginnt auf der schmalen C Seite im linken Runenband von unten nach oben und verläuft über die Steinspitze. Das zweite Textband verläuft ebenfalls von unten nach oben über die Oberseite.
Auf der Breitseite D findet sich ein großes christliches Kreuz von 38,5 cm Länge.
Die erste Erwähnung
dieses Runensteins findet sich bereits 1627, als
Jon Skonvig
(*1600 - †1664, Pfarrer und der Runenzeichner für
Ole Worm) ihn zeichnete.
Zu der Zeit befand er sich in der südlichen Kirchhofmauer, mit der
Kreuzseite
zur Kirche hin. Dort war sein Standort wohl auch schon
so lange man denken kann. Dessen Zeichnung hat sich in der
Originalgröße der Zeichnungen: 12,4 cm Höhe / 10,3 cm Höhe - Steingröße über Skonvigs Angaben gut 141 cm hoch und 63 cm breit (Moltkes Maße 143 x 81 cm).
Jon Skonvig ist sicherlich nie der beste Runenzeichner gewesen. Laut Erik Moltke (*04.04.1901 - †19.10.1984, Runologe, Historiker) - Jon Skonvig og de andre runetegnere. Et bidrag til runologiens historie i Danmark og Norge I-II, 1956-58, Band II, S. 22 - hat er in seiner Wiedergabe dieser Runenzeichen zahlreiche und schwere Fehler gemacht und das große Kreuzzeichen auf dem Runenstein ist echt schlecht erkannt / gezeichnet.
Ole Worm (*13.05.1588 - †31.08.1654, Arzt, Universalgelehrter und der Begründer der Runologie) hatte den dänischen König Christian IV. dazu bewogen am 11. August 1622 einen Brief an die Bischöfe von Dänemark und Norwegen zu senden, um darüber die Pfarrer im Land auzufordern alle Informationen zu Denkmälern, Runensteinen, Grabhügel usw. an ihn zu melden, um die älteste Geschichte Dänemarks zu beleuchten. Unterstützer oder gar treibende Kraft war wohl Christian Friis (*4. November 1581 auf Gut Krastrup in Farstrup - †01. Oktober 1639, dänischer Adliger und königlicher Kanzler). Der Originaltext dieses Briefes lautet auszugsweise: "Wor gunst tillforn. Wy bede Eder och wille, at I Eders mueligste flid ahnwender allewegne wdj Eders stigt att opsøge och antegne alle slags antiquiteter och documenter effter medfølgende fortegnelsis indhold, och att I saadanne med flid lader optegne och engang inden Paaske førstkommendis wdj wortt cantzelie lader indleffuere. Dermed skie wor willghe. Befalendis Eder Gud. Skreffuitt paa wortt [slott] Kiøbenhaffn, den 10. augusti anno 1622. Vnder vort signett.Christian."
In den
eingegangenen Rückmeldungen, den sogenannten "Præsteindberetninger" konnte ich zu dem Runenstein
allerdings nichts entdecken.
Dennoch wurde er von
Ole Worm höchstpersönlich untersucht und unabhängig
von Skonvigs Zeichnungen wurden über ihn zwei Metallstiche
(aufgrund eigener Zeichnungen ?) angefertigt. Den Runenstein behandelt er in seinem großen Werk
“Danicorum Monumentorum Libri Sex, Hafniae, 1643“
Ab der S. 250 erklärt er seitenlang gegenüber Christoffer Urne (*27.10.1593 - †27.09.1663, dänischer Adliger, Beamter und Gouverneur von Norwegen 1629-42), dass er in der Zeichnung auf dem Stein, in Form eines Adlerfußes mit Schenkelstück, das Wappen von dessen Adelsgeschlecht sieht und es für deren Grabstätte hält. Er sah in dem "Toki" in der zweiten Inschrift den Stammvater des Geschlechts der Urnes.
Diese Abbildung findet sich in der als Dissertation eingereichten Abhandlung von Erik Moltke (*04.04.1901 - †19.10.1984, Runologe, Historiker) - Jon Skonvig og de andre runetegnere. Et bidrag til runologiens historie i Danmark og Norge I-II, 1956-58 - Band 1, Seite 3.
Im Original sieht das dann so aus:
Andere deuteten Ole Worms Zeichnung als brennenden Ofen, als Fegefeuer u.a.
Ole Worm (*13.05.1588 - †31.08.1654, Arzt, Universalgelehrter und der Begründer der Runologie) schrieb in seinem Ergänzungsband zu seinem Hauptwerk (Danicorum Monumentorum libre sex - 1643 - auch als Monumenta Danica benannt), nämlich in den "Additamenta ad Monumenta Danica" von ca. 1650 auf den S. 12ff. über diesen Runenstein. Es handelt sich quasi um einen Brief vom 08.01.1650 an Otto Krag (1611-1666, Sekretär des dänischen Königs Christian IV.) mit seiner Verteidigung warum er diesen Runenstein so gedeutet hat.
Der Runenstein sollte dann aufgrund einer königlichen Verfügung vom Freitag 09.02.1652, erlassen durch König Frederik III. von Dänemark und Norwegen, nach Kopenhagen versandt werden (siehe: Nordisk Tidsskrift for Oldkyndighed, Band 1, 1832, S. 325). Die Verfügung wurden den regionalen Lehensmännern zugestellt. Dort heißt es als entsprechende Aufforderung: "Laaland. Friderich Barnewitz til Aalholm Lehn; Tilletſe⸗/ Bregninge⸗, Skovlænge⸗ og Tirsted - Stenene". Dieser Anweisung kam man hier, wie andernorts auch, jedoch nicht nach. Seitens Kopenhagen wurde nicht nachgehakt, da dort 1654 die Pest ausbrach, was auch Ole Worm noch im gleichen Jahr den Tod brachte.
Thomas Bartholin und latinisiert Thomas Bartholinus (* 20. Oktober 1616 in Kopenhagen; † 4. Dezember 1680 ebenda, dänischer Arzt, Anatom und Theologe) schreibt im Jahre 1689 in seinem Werk "Antiquitatum Danicarum de Causis Contemptæ a Danis Adhuc Gentilibus Mortis Libri Tres ex vetustis codicibus & monumentis hactenus ineditis congesti" auf den Seiten 145-47 über diesen Runenstein mit einem abweichenden Deutungsversuch der Inschrift und bringt den von Ole Worm verwendeten Metallschnitt der Inschriftsseiten.
Søren Abildgaard (*18.02.1718 - †02.07.1791, Zeichner, Kupferstecher und Geologe) zeichnete den Stein dann 1765, als er als Grund- und Eckstein im Waffenhaus in der Erde saß, mit der Rückseite in der Mauer, so dass er nur die A und B Seite zeichnen konnte.
Quelle: Digitale Sammlung Nationalmuseum Kopenhagen - unverändert, nur verkleinert - Lizenz: CC-BY-SA
Handschriftlicher Text:
"Denne Rune-Steen er som en Grund- Og Hjørnesteen indsat i Muuren af Tillitze Kirkes Vaben-Huus i Lolland. Det meste af Steenen stod dybt nede i Jorden, som ieg lod opgrave, for at faae Skriften at see; paa den 3de Side af Stenen kunde ieg see lidet Tegn af Rune-Skrift, men samme saa vel som Steenens 4de Side skiules aldeles i Muuren. - S: Abildgaard. A(nn)o 1765. Rune-Skriften paa denne Steen var vel gjort, og temmelig tydelig og kiendelig."
Übersetzung: "Dieser Runenstein ist als Grund- und Eckstein in die Mauer der Waffenkammer der Tillitze-Kirche auf Lolland eingefügt. Der größte Teil des Steins lag tief im Boden, den ich ausgegraben hatte, um die Schrift zu sehen; Auf der 3. Seite des Steins konnte ich kleine Spuren einer Runenschrift erkennen, aber diese sowie die 4. Seite des Steins waren vollständig in der Wand verborgen. - S: Abildgaard. A(nn)o 1765. Die Runenschrift auf diesem Stein war gut gemacht und ziemlich klar und erkennbar."
Originalgröße der Skizze: 19 x 24 cm
Auch
Erik Pontoppidan
(der Jüngere, *03.09.1698 -
†20.12.1764) macht in seinem Werk von 1767
"Den Danske Atlas" -
Übersetzung: "In der Tillese Kirkenhof Einfriedungsmauer ist ein Stein
eingeschlossen, der 2 Ellen lang und anderthalb breit ist. Auf der einen Seite
kann man lesen: Eskil sulsafun lit resi stin difa est fialsan sig emun slanta
med stein lisir vitriit suner van eskil. Was soviel heißt wie:
Æskil, Sohn des Sulki,
liess diesen Stein errichten zu seinem eigenen Gedächtnis.
In seinem weiteren Band VI Del. 7 - Ergänzungsband zu "Den Danske Atlas", zu Band II und III, für die Stifte von Seeland, Lolland und Fünen - geht er auf der Seite 465 (S. 10 in der pdf-Datei) nochmals auf diesen Runenstein ein: "Paa det Vestre Hiørne af Vaaben-Huuset er i en Grund-Steen udhuggen en Inscription med Rune-Bogstaver, og ligeledes én i Kirke-Muren, som er anført i Wormii Monument. P. 252. og Atlas Dan. T. III. p. 333."
Übersetzung: "An der westlichen Ecke des Waffenhauses befindet sich eine
Inschrift mit Runenbuchstaben, die in einen Grundstein gemeißelt ist, eingesetzt
in der Kirchenmauer, die im Wormii-Denkmal aufgeführt ist. S. 252. und Atlas
Dan. T. III. S. 333."
Im Jahre 1832 erschien von
Johan Gustav Liljegren (*27.02.1791 -†02.06.1837,
schwedischer Nationalarchivar und Archäologe)
Vermutlich 1863 wurde der Runenstein auf Geheiß von P. G. Thorsen (*07.08.1811 - †06.05.1883, Bibliothekar, Runenforscher und Historiker) von seinem bisherigen Platz wieder herausgenommen. Er wurde nun unmittelbar vor der Kirchhofmauer aufgestellt.
Im Nationalarchiv in Kopenhagen hat sich
diese Zeichnung aus dem Jahre 1864 von
Jacob Kornerup
(*19.11.1825 -
†09.03.1913, dänischer Archäologe und Zeichner aus Roskilde)
Diese Abbildung findet sich in der Abhandlung von Erik Moltke (*04.04.1901 - †19.10.1984, Runologe, Historiker) - Jon Skonvig og de andre runetegnere. Et bidrag til runologiens historie i Danmark og Norge I-II, 1956-58 - Band 1, Seite 4.
George Stephens
(*13.12.1813 -
†09.08.1895, englischer Archäologe und Philologe) setzt sich
Weiterhin macht er in seinem Band 3 aus dem Jahr 1884 - unter Bezug auf die S. 21 aus seinem Band 1 - auf der Seite 5 Ausführungen zu dem Wort "uitrent" (Gedenkinschrift) auf der A Seite des Runensteins. Auf der S. 342 kommt er dann nochmals auf die beiden Inschriften zurück.
Zeichnungen von Magnus Petersen (*04.09.1827 - †01.02.1917, Archäologischer Zeichner und Restaurator) finden sich in den beiden großen dänischen Runenwerken von
P. G. Thorsen (*07.08.1811 - †06.05.1883, Bibliothekar,
Runenforscher und Historiker)
Es gibt von dem großen Kreuz auf der Seite D merkwürdigerweise bei ihm keine Zeichnung.
Über seine Studien kommt er zu dem Ergebnis, dass die Inschriften in drei zeitlichen, womöglich nicht allzu lange auseinander, Etappen entstand. Vielleicht sogar durch den gleichen Runenritzer.
Diese beiden Zeichnungen stammen
von
Magnus Petersen
(*04.09.1827 - †01.02.1917, Archäologischer Zeichner und Restaurator).
Darüber finden sich auch drei
sw-Fotos von
Erik Moltke
(*04.04.1901 - †19.10.1984, Runologe, Historiker)
Quelle: Digitale Sammlung Nationalmuseum Kopenhagen - Jeweils Lizenz: CC-BY-SA
Diese Abbildung mit den drei Fotografien findet sich in der als Dissertation eingereichten Abhandlung von Erik Moltke (*04.04.1901 - †19.10.1984, Runologe, Historiker) - Jon Skonvig og de andre runetegnere. Et bidrag til runologiens historie i Danmark og Norge I-II, 1956-58 - Band 1, Seite 7.
Bei dieser neuerlichen Untersuchung 1931 wurde er auf Geheiß von Erik Moltke auf seinen noch heute gültigen Standort, freistehend neben der nordwestlichen Ecke des Waffenhauses, umgesetzt.
Im Vorfeld zu dem 2016
erschienenen Buch von
Lisbeth
M. Imer (*1973, Runologin am Nationalmuseum
Kopenhagen)
Quelle: Digitale Sammlung Nationalmuseum Kopenhagen - Lizenz jeweils: CC-BY-SA 3.0
Bei meinem letzten Besuch vor Ort am 31.August 2016 habe ich diese Fotos angefertigt:
Viele Informationen zu diesem Runenstein findet man im Internet auf der Webseite der dänischen Runendatenbank.
Der entsprechende Eintrag zu dem Runenstein in "Fund og Fortidsminder" ist hier verlinkt.
Über diesen Link finden sich zu dem Runenstein Informationen des Forschungsprojektes "Runes" der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
Literaturhinweise:
Carl Christian Haugner - Lollands Oldtidsminder - 1941 - S. 132 ff.
Karen Løkkegaard Poulsen - Runesten på Lolland-Falster - in: Lolland-Falsters Historiske Samfunds Årbog - 1989 - S. 65-86