Gesellschaft und Besiedlung

Dänemark ist ein Agrarland, und in der Wikingerzeit - wie auch bis in unsere Gegenwart - war die Landwirtschaft der wichtigste Wirtschaftszweig. Gerste, Roggen, Hafer und Weizen wurden angebaut, und Knochenfunde belegen, dass man Rindvieh, Schweine, Pferde, Schafe und Ziegen hielt. Es war der Bauernstand, aus dem sich die Kriegsmannschaft für die Schiffe und die wachsende Zahl der Händler und Handwerker rekrutierten.

Dörfer und Höfe bildeten zusammen größere Einheiten - Siedlungen -, und es gibt gute Gründe zu der Vermutung, dass die freien Bewohner der Siedlungen sich selbst regierten und ihre eigenen Angelegenheiten selbst regelten, wobei sie regelmäßig auf dem Thing zusammenkamen, um Streitfälle zu entscheiden. Die Gesellschaft war in Stände unterteilt; dabei lassen sich drei Gesellschaftsklassen deutlich unterscheiden: die Oberschicht der Krieger mit dem König an der Spitze, die freien Bauern und die rechtlosen Sklaven.

In den letzteren Jahren wurden in Dänemark mehrere umfassende archäologischen Untersuchungen von Höfen und Dorfsiedlungen durchgeführt. Im Dorf Vorbasse in Mitteljütland wurden Spuren gefunden, die von einer ununterbrochenen Besiedlung aus der Zeit vor Christus bis zum heutigen Dorf zeugen. Die Besiedlung in Vorbasse während der Wikingerzeit verlief in zwei Phasen. In der ersten, sie reichte vom 8. bis zum 10. Jahrhundert, bestand das Dorf aus 7 Höfen, die sich um eine 8-10 m breite Straße gruppierten.

Die Hofanlagen waren große, rechteckige Parzellen, abgegrenzt durch Hecken und mit einem Tor zur Straße hin. Jede Hofanlage hatte ein großes Hauptgebäude mit der Wohneinheit an dem einen, und einem Stall mit Trennwänden für Boxen am anderen Ende, sowie mehrere kleinere Nebengebäude. Die Hauptgebäude hatten eine Länge von ungefähr 30 m und boten Platz zum Wohnen und für 20-30 Tiere. Die kleineren Häuser wurden als Scheunen, Werkstätten und wahrscheinlich als Wohnungen für Bedienstete und Sklaven genutzt.

Im 11. Jahrhundert veränderte sich die Struktur von Vorbasse. Die Gesamtfläche des Dorfes vergrößerte sich, und es wurden neue Höfe gebaut, von denen einer - der Hof eines Häuptlings - erheblich größer war als die Höfe des früheren Dorfes. Man wohnte jetzt nicht länger mit den Tieren unter einem Dach, sondern baute eigene Stallungen, die bis zu 50 Tieren Platz boten. Die Gesamtanzahl der Höfe scheint indes nicht größer geworden zu sein.

Das Dorf Vorbasse hatte guten Zugang zu niedrig gelegenen, feuchten Wiesen, auf denen das Vieh grasen konnte, und die vielen Boxen-Trennwände in Häusern und Ställen lassen darauf schließen, dass Viehzucht eine wichtige Rolle gespielt haben muss. Der Viehbestand muss in der älteren Besiedlungsphase bei etwa 150 Tieren gelegen haben, und es scheint, dass diese Zahl im 11. Jahrhundert durch den Bau der neuen, freiliegenden Stallungen gestiegen ist. Das Vieh gab Milch, Fleisch, Häute und Arbeitskraft, und wurde wahrscheinlich auch für den Verkauf gezüchtet.

Es ist schwierig, über die zahlenmäßige Größe der Bevölkerung Dänemarks zur Wikingerzeit genaues auszusagen. Trotz umfangreicher Untersuchungsarbeiten ist bisher nur eine geringe Anzahl von Siedlungen aus dieser Zeit ausgegraben worden, wobei die Ergebnisse dieser Untersuchungen nicht auf ein deutliches Wachstum der Landesbevölkerung im Lauf der Wikingerzeit schließen lassen. Während das Dorf Ausdruck für eine Fortsetzung der Besiedlung früherer Zeiten ist, kommt es in der Wikingerzeit zu den ersten eigentlichen Städtegründungen.

Die beiden ältesten dänischen Städte liegen - was ganz natürlich erscheint - nahe am europäischen Festland, und zwar im Süden der jütländischen Halbinsel: Ribe im Westen und Haithabu (dän. Hedeby) im Osten, nahe bei Schleswig.

Bereits seit Anfang des 8. Jahrhunderts war Ribe ein etablierter Handelsplatz, wo regelmäßig Märkte abgehalten wurden. Von Ribe aus gab es gute Verbindungen nach England, Friesland und zum Frankenreich, und die Stadt muss eine wesentliche Rolle als Skandinaviens Tor nach Nordwesteuropa gespielt haben. Es gab engen Kontakt zu einem großen dänischen Hinterland, und die vielen Importfunde aus fränkischem Gebiet - u.a. große Mengen Glas - zeugen von den lebhaften Kontakten zum Süden. Bei Ausgrabungen stieß man auf Spuren einer Reihe von Spezialhandwerken, die auf dem Marktplatz ausgeübt wurden, darunter Perlen- und Kammmacherei, Textil- und Lederarbeit, Schmiedearbeit und Bernsteinschleiferei.

Ribes große Zeit als Handelsplatz war das 8. Jahrhundert bis etwa Mitte des 9. Jahrhunderts, als er anscheinend an Bedeutung verlor. Vielleicht war es Haithabu, das einen Teil des Handels übernahm, der früher über Ribe führte.

Haithabus Lage zeigt die Stadt als südwestlichen Knotenpunkt für den Ostseehandel. Über die Gründung von Haithabu berichten die Fränkischen Reichsannalen. Der dänische König Godfred hatte 808 einen slawischen Handelsplatz namens Reric zerstört, und die Kaufleute von dort nach Haithabu übersiedeln lassen. Gleichzeitig verstärkte er zur Abwehr von Feinden aus dem Süden das Danewerk (Danevirke), eine große Wallanlage.

Wie im Fall von Ribe reichen auch die Wurzeln von Haithabu bis ins 8. Jahrhundert zurück, aber vermutlich erst durch Godfreds Eingreifen Anfang des 9. Jahrhunderts wurde der Grundstein für die größte Stadt des Nordens in der Wikingerzeit gelegt. In ausländischen schriftlichen Quellen sowie auf den heimischen Runensteinen und in Skaldengedichten aus dieser Zeit wird Haithabu oft erwähnt.

Die archäologischen Untersuchungen in Haithabu lassen vermuten, dass die Besiedlung von Anfang an nach einem regelmäßigen Anlageplan erfolgt ist. Parallel zueinander und rechtwinkelig zu dem Bach, der quer durch die Stadt verläuft, wurden Straßen angelegt. Die Stadt war in eingezäunte Parzellen eingeteilt, auf denen jeweils ein Haus stand, dessen Giebel zu den mit Planken belegten Straßen gewandt war. Mit einer Grundfläche von meist nicht mehr als 60qm waren die Häuser recht klein. Sie lagen dicht zusammen, und um sie herum gab es nicht viel freie Grundstücksfläche. Im Hafengebiet wurden Reste von Molen gefunden, die vom Ufer in den Hafen hinaus reichten. Das Hafenbecken selbst hatte zum Schutz vor Angriffen von der Seeseite her eine halbkreisförmige Holzpalisade, die unter Wasser in den Boden eingerammt war.

Über 340.000 Funde wurden bei den Ausgrabungen in Haithabu gemacht. Sie erzählen von Handel, Handwerk und Alltagsleben. Der große halbkreisförmige Wall um die Stadt wurde erst in unruhigen Zeiten Mitte des 10. Jahrhunderts angelegt.

Wir besitzen die Schilderung eines Augenzeugen aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts, als At-Tartuschi, ein aus Spanien stammender Araber Haithabu besuchte. Sein Bericht ist wie folgt überliefert:

"Schleswig (Haithabu) ist eine sehr große Stadt am äußersten Ende des Weltmeeres. Im Innern der Stadt gibt es Quellen mit Süßwasser. Ihre Bewohner beten Sirius an, abgesehen von der kleinen Anzahl, die Christen sind und dort eine Kirche haben. At-Tartuschi erzählt: Sie feiern ein Fest, wo sie alle zusammenkommen, um den Gott zu ehren und um zu schlemmen. Derjenige, der ein Opfertier schlachtet, stellt an der Tür zu seinem Hofplatz Pfähle auf, an denen er das Opfertier aufhängt - gleich, ob es sich um ein Stück Rindvieh, einen Widder, einen Ziegenbock oder ein Schwein handelt -, damit die Leute sehen, dass er zu Ehren seines Gottes opfert. Die Stadt ist arm an Waren und Reichtümern. Wichtigstes Nahrungsmittel der Leute sind Fische, denn davon gibt es reichlich. Wenn jemand Kinder bekommt, wirft er sie ins Meer, um die Kosten zu sparen. Im übrigen berichtete er, dass das Recht auf Scheidung bei den Frauen lag. Wenn sie Lust dazu haben, trennen sich die Frauen einfach von ihren Männern. Man hat dort auch eine künstlich hergestellte Augenschminke; wenn sie diese verwenden, verbleicht die Schönheit nie, sondern nimmt bei Männern und Frauen sogar zu. Er sagte auch: Nie hörte ich hässlicheren Gesang als den der Schleswiger, es ist ein Brummen, das aus ihren Kehlen kommt, ähnlich wie Hundebellen, doch noch tierischer als dieses".

Grundlage für die Gründung der Stadt war die Sicherung von Handelsinteressen. Friede und Sicherheit mussten herrschen, sonst hätten sich die Kaufleute ferngehalten. Aufgabe des Königs war es, den Marktfrieden zu sichern und dafür zu sorgen, dass so wenig wie möglich Seeräuber die Schiffe angriffen, die Waren zum Markt brachten. Als Gegenleistung konnte er Abgaben von den Händlern fordern.

Im Laufe der Wikingerzeit und je mehr die Macht der Könige gestärkt wurde, kam es im übrigen Dänemark verstärkt zu Städtegründungen, und Mitte des 11. Jahrhunderts wurde der Grundstein für mehrere Städte gelegt, die auch heute noch existieren.

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