Die Wikingerzüge 

Das westeuropäische Festland

Dänemarks mächtiger Nachbar im Süden war das Frankenreich. Um 800 hatte Karl der Große die Sachsen bezwungen, und das Reich der Franken grenzte nun an der Eider direkt an das Land der Dänen. In den 30er Jahren des 9. Jahrhunderts löste sich die viele Jahre lang stabile Herrschaft im Frankenreich aufgrund innerer Zwistigkeiten auf, was 843 zu einer Dreiteilung des Reiches führte und gleichzeitig eine Schwächung der Verteidigung zur See entlang der westeuropäischen Küste bedeutete.

Bereits zu Beginn des Jahrhunderts waren die Überfälle der Wikinger von der See her ein so großes Problem geworden, dass Karl der Große zwischen Rhein und Seine-Mündung eine Küstenverteidigung gegen Seeräuber organisieren musste, die „in der Nordsee heerten". Die Entwicklung im Frankenreich war indes für die Nordleute von Vorteil, und ab 830 nahmen die Angriffe an Umfang zu.

In den 30er Jahren des 9. Jahrhunderts wurde die Stadt Dorestad mehrere Male geplündert, und auch andere Orte in Friesland wurden angegriffen. 841 segelte eine Wikingerflotte erstmals die Seine flussaufwärts und plünderte u.a. Rouen. Im Jahr 845 schickte der dänische König Horik eine Flotte die Elbe hinauf, die Hamburg plünderte. Es gehörte allerdings zu den Ausnahmen, dass der König an den Raubzügen beteiligt war. Als Führer bei den Wikingerzügen werden oft Häuptlinge und vertriebene Verwandte der Königsfamilie erwähnt, der König selbst aber scheint normalerweise nicht in Verbindung zu den Plünderungen gestanden zu haben. So versichern auch mehrere dänische Könige den fränkischen Herrschern, dass sie an den Unruhen schuldlos seien.

Im Jahr 845 - am 28. März - wurde Paris geplündert, und die Stadt musste sich für die unerhörte Summe von 7.000 Pfund Silber freikaufen. Die Kunde von derart leicht zu verdienendem Geld muss sich schnell verbreitet haben, denn bald tauchten Wikingerflotten auf allen Flüssen des westlichen Frankenreiches auf. Städte, Kirchen und Klöster wurden angegriffen, und in den 60er Jahren des 9. Jahrhunderts beschrieb der Mönch Ermentarius von Noirmoutier die Verheerung durch die Wikinger:

"Die Zahl der Schiffe wächst. Der endlose Strom von Wikingern steigt unaufhörlich an. Überall werden die Christen Opfer von Massakern, Brandschatzungen und Plünderungen. Die Wikinger erobern alles, was auf ihrem Weg liegt. Keiner kann ihnen widerstehen. Sie nehmen Bordeaux, Périgeux, Limoges, Angoulême und Toulouse ein. Angers, Tours und Orléans sind ausgelöscht. Eine Flotte zahlloser Schiffe segelt die Seine herauf, und das Böse wächst im ganzen Land. Rouen ist verwüstet, geplündert und verbrannt. Paris, Beauvais und Meaux sind eingenommen, Meluns starke Festung ist dem Erdboden gleichgemacht, Chartres besetzt, Evreux und Bayeux sind geplündert, und alle Städte werden belagert."

Ab Mitte des 9. Jahrhunderts siedelte sich ein Teil der Wikinger in allen Gegenden des Frankenreiches an. Sie wurden als Söldnertruppen bei den innerfränkischen Streitigkeiten eingesetzt und mit Geld und Grundbesitz auch zum Schutz der Küsten gegen Angriffe anderer Wikinger angeworben.

Bis zum Ende des 9. Jahrhunderts gibt es Kunde von Kämpfen an einem oder mehreren Orten im Gebiet südlich der Eider und bis hinunter ans Mittelmeer. Mit den Jahren jedoch wurde die Verteidigung gegen die Wikinger besser organisiert, und gegen Ende des 9. Jahrhunderts war es mit den guten Zeiten für Raubzüge entlang der westeuropäischen Küsten vorbei.

Im Jahr 885 erreichte ein dänisches Heer wiederum Paris, das inzwischen gut befestigt worden war. Die Dänen besetzten beide Seine-Ufer und belagerten acht Monate lang die Ile de la Cité, ohne dass es ihnen gelang, die Stadt einzunehmen - was als großer Sieg für die Franken betrachtet wurde.

Im Jahr 911 übertrug der westfränkische König Karl der Einfältige dem Wikingerhäuptling Rollo einige Ländereien im Seine-Gebiet, von Rouen bis ans Meer. Als Gegenleistung verteidigte Rollo die Küsten gegen andere Normannen. Damit war der Grundstein für das Herzogtum Normandie gelegt. Herzog Wilhelm der Eroberer, der 1066 in der Schlacht von Hastings die Engländer besiegte, stammte in direkter Linie von Rollo ab.

Auch bis in den Mittelmeerraum drangen die Wikinger vor. 844 waren sie in Spanien und eroberten Sevilla, aber die Araber waren militärisch gut organisiert und meistens in der Lage, die Angriffe abzuschlagen.

Die arabischen Quellen berichten außerdem von Angriffen auf die nordafrikanische Küste, und auch Italien wurde nicht verschont. Über letzteres wird in den schriftlichen Quellen berichtet, dass die Wikinger 860 die norditalienische Hafenstadt Luna einnahmen, in dem Glauben, es wäre Rom. Zunächst hatte man die Stadt belagert, aber als dies nicht zum Erfolg führte, griff man zur List. Der Anführer der Wikinger, Hastings, stellte sich tot, und seine Männer überzeugten die Bewohner von Luna davon, dass der letzte Wunsch ihres Häuptlings ein christliches Begräbnis gewesen sei. Mit großem Gefolge wurde der Sarg in die Stadt getragen, und kaum hatte das Begräbnis begonnen, sprang Hastings auf, mit dem Schwert in der Hand, und spaltete dem Bischof das Haupt. Danach wurde die Stadt schnell erobert. Erst da wurde es Hastings klar, dass die Stadt, die er eingenommen hatte, nicht Rom war, und so musste auf der Heimfahrt die Stadt Pisa für die Enttäuschung der Wikinger büßen.

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